Welchen
Religionsunterricht braucht
die heutige moderne Gesellschaft?
Die Bedeutung der religiösen Dimension von
Bildung und Erziehung
Wie kann Religion in der heutigen Zeit glaubwürdig
vermittelt werden?
In unserem Zeitalter wird uns gelehrt, dass das Leben
von selbst entstanden sei. Viele Wissenschaftsbereiche sind entsprechend
aufgebaut - die Anthropologie, die Paläontologie, Makro- und
Mikrobiologie, angefangen bei der evolutionären Theorie der Darwin‘schen
Abstammungslehre.
Die Abkehr vom Schöpfer in der Naturwissenschaft legte
den Grundstein für die atheistischen Philosophien des 18.-20.
Jahrhunderts. So speist sich das Vokabular der meisten heutigen
Wissenschaftler aus der Theorie der Nichtexistenz Gottes. Es gibt kaum
einen wissenschaftlichen Beitrag oder Film im Fernsehen über die Wunder
dieser Welt, bei dem auch nur einmal Gott erwähnt würde. Ja die Natur
habe sich selbst erfunden.
Wir werden vielfach verunsichert. Unser Glaube an einen
Schöpfer ist angeschlagen. Christliche Theologen und Leute der Religion
wagen schwerlich kritische Anfragen an die Thesen der Naturwissenschaft.
Ihre Altlast aus der Vergangenheit, der ablehnenden Haltung von
Kirchenautoritäten gegenüber divergierenden wissenschaftlichen
Erkenntnissen, macht sie allzu vorsichtig. Die europäische Geschichte der
kirchlichen Dogmatik, des Autoritätsdenkens, der Bevormundung der
Wissenschaft und der Gegnerschaft von Kirche und Wissenschaft hat in
Europa das Bild von der Unverträglichkeit von Religion und Wissenschaft
geprägt. Allgemein herrscht die Meinung vor von zwei getrennten Gebieten,
wobei das eine nichts mit dem anderen zu tun habe. Religion und ihre
Lehren schweben in anderen Sphären als die Naturwissenschaft mit ihren
empirischen Erkenntnissen.
Gott oder die Wissenschaft? Muss es immer einen
Zwiespalt zwischen Religion und Wissenschaft geben?
In der islamischen Kultur sah man die Wissenschaft
stets im Einklang mit dem Monotheismus und der Religion.
Das Weltbild des Islam lässt hier keine Diskrepanzen
zu. Religion und Wissenschaft bilden in ihm eine Einheit. Sie ergänzen
sich. Im Islam und laut Koran ist es die Wissenschaft, die die Existenz
Gottes beweist und über deren Hilfe wir zur Erkenntnis Gottes gelangen
können.
Des Menschen Auftrag die Natur und Schöpfung als Kunstwerke Gottes zu
erforschen und zu bewundern hat in der islamischen Geschichte zu einem
ganz anderen Verhältnis zur Wissenschaft geführt, wie überhaupt Logik
und Vernunft ihren außerordentlichen Platz im Islam haben.
Gottes Allmacht und Weisheit wird durch die
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sichtbar. Dabei soll sich weder die
Wissenschaft aufgrund von Religion mit ihren Erkenntnissen zurückhalten
noch soll sich die Religion gegenüber der Wissenschaft zurückhalten.
Und es geht nicht darum, den Kindern im
Religionsunterricht einen Skeptizismus gegenüber naturwissenschaftlichen
Fächern beizubringen oder Konflikte mit diesen auszutragen, sondern den
Umgang mit diesen Fächern in Verbindung mit Religion und Schöpfungslehre
zu lernen.
Glauben muss vom Kindesalter an vermittelt werden. Im
Kindesalter besteht noch die Disposition zum Glauben, die gefördert und
aus gebaut werden soll.
Wie das bewerkstelligt werden kann zeigt uns die
Methodik des Koran: Mit „Siehe und Begreife!" spricht er die
Menschen an und animiert zum Beobachten, Nachsinnen und Nachdenken. Herz
und Verstand werden gleichermaßen einbezogen.
Im Gegensatz dazu stünde das pure Vermitteln eines
äußeren Formalismus oder Verhaltenskodexes oder das Vermitteln eines
blinden Glaubens. Genauso ist eine Erziehung zu Selbstgerechtigkeit zu
vermeiden, dass Glaube und Religiosität an Äußerlichkeiten festgemacht
werden.
Im Hadis werden wird gemahnt: „Hast du etwa in sein
Herz gesehen?"
Da wo die Angelegenheiten Gottes anfangen, sind unsere
Grenzen.
Mit dem Erziehen zu Kritikfähigkeit, zum Hinterfragen
um in die Tiefe zu dringen, durch das Verbinden mit Wissen und
Wissenschaft folgen wir dem koranischen Beispiel, einer Erziehung zu
bewusstem Glauben und zu einem rechten Maß in den religiösen Dingen.
Zu den Inhalten ist weiter zu sagen:
Für eine offene Auseinandersetzung sind ausgehend von
den vielen Meinungen, Vorurteilen, Thesen, Politisierungen wenn es um
Islam und Muslime geht, viele Hürden zu nehmen. Ungeachtet dessen ist und
bleibt Islam eine Religion und will man zum Kern dieser Religion
vordringen, macht die Fülle an Detaildingen es uns nicht einfach. Darum
gibt es nicht wenige, die verloren sind in den Detaildingen und
Nebensächlichkeiten ohne Gespür für das, worauf es ankommt.
Unser Anliegen muss es sein, den Blick zu schärfen
für das Wesentliche, um das Wesen, die Grundlagen und Grundpositionen
dieser Religion Islam zu erfassen.
Wenn wir von den Hauptthemen des Koran ausgehen, so
sind das die vier folgenden:
Die 4 Hauptthemen des Koran:
1) dass es nur einen Gott gibt,
2) dass Jenseits, Auferstehung und Jüngster Tag
eintreffen werden,
3) die Existenz und Realität der
gottesgesandtschaftlichen Beauftragung,
und
4) IBADET (Gebet) einschließend die über allem
stehenden Prinzipien der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit
- Es sind dies die gleichen Themen, die alle Gottesgesandten betont
haben.
- Darüber lassen sich auch das Gemeinsame und Verbindende in
unserer pluralen Gesellschaft thematisieren.
-
- Religion lehrt die von der Verantwortung des Menschen abgeleiteten
Pflichten. Um Kinder zu guten Menschen
zu erziehen, ist die Komponente der religiösen Ethik unentbehrlich.
Doch Ethik wird erst wirksam, wenn Motivation da ist, sie anzuwenden.
- Um starke emotionale, egoistische Barrieren zu überwinden bedarf
es der religiösen Motivation, der Motivation aus dem Glauben.
Das Ziel gute Menschen heranzubilden ist nicht nur ein
gesellschaftlicher Auftrag sondern ein Auftrag von Gott. Wenn jemand
keinen Diebstahl begeht, erfüllt er den göttlichen Auftrag nicht zu
stehlen. Und dabei leistet er eine gesellschaftlichen Beitrag. Wenn ein
Mensch nicht lügt, weil Gott es verboten hat, erfüllt er gleichzeitig
eine Funktion, die das Vertrauen in der Gesellschaft festigt.
Die Menschen sollen auf der Erde mit Freude leben,
nicht mit Leiden. Hierfür bringt Religion die wesentlichen Beiträge:
Liebe, Respekt, Hilfsbereitschaft, Toleranz. Ohne diese wäre unser Leben
bitter und eine Last.
Religion muss vernünftige Antworten auf unsere
Daseinsfragen geben: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wozu sind wir auf
der Welt?
Religion muss Sinn stiften, Freude stiften, Vertrauen
stiften, Frieden stiften.
In diesem Sinne
- Cäcilia DEMIR-SCHMITT
- für die
- RELIGIONSGEMEINSCHAFT DES
ISLAM
- Landesverband Baden-Württemberg (e.V.)
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