- Weltreligionstag
- Stuttgart 2000
Friede unter den Religionen als Voraussetzung des
Weltfriedens
Rund 400 Menschen kamen am 16. 1. 2000 in den Weißen Saal des neuen
Schlosses in Stuttgart. Eingeladen hatte der Arbeitskreis für den
Weltreligionstag des Bahá’i Zentrums Stuttgart
um in einer gemeinsamen Feierstunde hochrangige Vertreter der
verschiedenen Religionen zum Thema Frieden zu Wort kommen zu lassen.
Zum Erfolg der Veranstaltung hat sicherlich
auch WCRP (Weltkonferenz der Religionen für den Frieden) - Stuttgart
beigetragen, die es möglich macht, dass sich seit vielen Jahren
jüdische, buddhistische, bahá‘i, islamische, hinduistische und
christliche Gläubige bei monatlichen Treffen begegnen können. Tradition
wurde dabei die alljährlich stattfindende „Gebetsstunde der Religionen
für den Frieden". Die Bahá‘i Gemeinde Stuttgart hat nun nach
langer Zeit ihre Tradition eines Weltreligionstages wieder aufgegriffen,
um am 3. Sonntag im Januar diese Feierstunde in Zusammenarbeit mit den
Weltreligionen zu begehen.
Für den Islam sprach Ali Demir:
Bei der Entstehung und Entwicklung jeder Religion war
die Intention eine friedlichere, bessere soziale Gesellschaft mit mehr
Verantwortung vor Gott und der Schöpfung zu erlangen. Doch Glauben und
Religion bildeten auch immer die Dreh- und Angelpunkte der Personen und
Institutionen, die Macht angestrebt haben. Missbrauch und Ausbeutung waren
dann vielfach die Folge. Bedauerlicherweise wurden und werden die
Grundsätze der Religionen - nicht zu töten, nicht zu zerstören, das
Leben zu respektieren - allzuviel mit Füßen getreten. Irgendwelche
profanen, niederen Interessen wurden über Glauben und Religion gestellt.
Oder Glauben und Religion wurden und werden so ausgedeutet um
Unmenschlichkeit und Verbrechen gegen Gott und Mensch zu rechtfertigen.
Was ist das für eine Religion, was ist das für ein
Glaube und was ist das für ein Gläubiger, der sich für solche
Verbrechen einspannen lässt? Beim näheren Betrachten dieses Phänomens
stellen wir fest, dass dahinter eine Scheinreligiosität herrscht, ein
Scheinglaube, an den Oberflächen anhaftend, der gar nicht tief in das
Herz gedrungen ist. Ein Mensch, der Göttliches im Ziel hat, lässt sich
nicht verführen und missbrauchen. Ein religiöser Mensch, der Gottes
Wohlwollen erlangen will, der sein ewiges Leben gut aufgehoben haben will,
der den Schöpfer liebt, hält die Ratschläge Gottes ein und beherzigt
sie.
Nach islamischer Überlieferung hat Gott sehr viele
Gesandte beauftragt und in den verschiedenen Völkern der Welt auftreten
lassen, um die göttliche Botschaft unter den Menschen zu verbreiten.
Diese Botschaft war stets: Mensch, der Grund für deine Existenz ist
Erkenntnis und Anerkennung des Schöpfers und Gebet. Wetteifert in guten
Dingen, arbeitet für den Aufbau und den Schutz der Schöpfung.
Für diese hehren Ziele muss man sich verbünden. Unser
Glauben gibt uns dazu Anstoß. Um Gottes Willen für die Menschlichkeit
müssen wir Bündnisse schließen. Gott will nicht, dass wir uns
(insbesondere als Gläubige) gegenseitig bekämpfen und vernichten. Wir
sind aufeinander angewiesen. Keiner kann allein Gutes tun ohne Hilfe und
Mitwirken von anderen.
Vor den Bosheiten der Menschen warnend sagt uns der
Koran in Sure 14, 34:
„Wahrlich der Mensch ist ungerecht / ein Tyrann / ein
Unterdrücker."
Aber es ist immer der Mensch, der für den Einsatz um
das Heil verantwortlich ist. Gott wird dabei denen beistehen, die sich
für Gerechtigkeit, für Glaubensfreiheit und sich gegen Unterdrückung
und Verfolgung einsetzen.
So steht in Sure 2, 251:
„Und würde Gott nicht die einen Menschen durch die
anderen abwehren, so würde die Erde voller Unheil sein. Aber Gott ist
voller Huld gegen die Weltenbewohner."
Und Sure 22, 40 besagt:
„... Und würde Gott nicht die einen Menschen durch
die anderen im Zaum halten, so wären gewiss die Gebetshäuser, Klöster
und Kirchen, Synagogen und Moscheen niedergerissen worden, worin der Name
Gottes oft genannt wird. Gott wird sicherlich dem beistehen, der ihm
beisteht. Er ist wahrlich allmächtig, gewaltig."
Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung, die
Vielfalt der Weisen, Gott zu verehren, gehören zum Unveräußerlichen des
Menschen, das der Koran thematisiert.
Religion, Glauben gedeiht nur in Freiheit. Auch bedingt
Religion und Glauben der Freiheit. Nur in Freiheit kann Glauben und
Religiosität wahrhaftig und aufrichtig sein.
Jeder Zwang in Glaubensdingen führt zu Irritationen,
vernichtet den Glauben, zerstört den Glauben im Innern.
Deshalb heißt es im Koran:
„Wer will soll glauben, wer nicht will soll
ablehnen." Sure 7, 13
und über den Koran selber steht an anderer Stelle:
„Der Koran ist nur ein Ratschlag für die denkenden
Menschen." Sure 80, 11-12 bzw. 81/27;
oder in Sure 12 Vers 125 und Sure 88 Vers 21, in denen
Muhammed a.s. angesprochen ist, heißt es wiederum:
„Ruf den Menschen mit wahrhaften, schönen Worten
und Ratschlägen auf den Weg Gottes auf die beste Art und Weise."
„Gib Ratschläge. Du bist nur Erteiler von
Ratschlägen. Du bist nicht Erzwinger auf den rechten Weg."
Werden diese Ratschläge zu Gesetzen umfunktioniert,
geht der Charakter der Religion und die Freiwilligkeit von Religion
verloren.
Selbstbestimmung und Freiheit bilden die Basis für
Glück und Frieden in dieser Welt. Das gilt es zu gewährleisten, dazu
animiert uns der Koran und nur gemeinsam kann es gelingen.
Glauben und Religion heißt für uns sich
verantwortlich fühlen vor einem höheren Wesen. Religion gibt
Hilfestellung, um den eigenen Egoismus zu überwinden und Gefühle für
andere zu entwickeln.
Religion und Glauben ist frohe Botschaft. Religion
bereichert unser Alltagsleben. Sie bedeutet nicht Einschränkung,
Entbehrung oder Auflage. Glauben und Religion öffnet uns Horizonte, das
wir uns erheben über das Alltägliche zum Wesentlichen.
Sie bedeutet sich der Vergänglichkeit bewusst zu
werden und sich die Ewigkeit zu vergegenwärtigen.
Glauben erhebt den Menschen aus der instinktiven
tierischen Ebene, dass er sich vervollkommnet. Statt Befriedigung seines
Egoismus führt ihn Religion zu Humanität, geistiger Vervollkommnung und
Befriedigung der erhabenen seelischen Sinnlichkeit.
Religion ist das Licht des Gewissens. Sie leitet an
unsere Ethik weiter zu entwickeln und sie gibt Motivation sie anzuwenden.
Muhammed a.s. sagt:
„Werdet nicht solche Unpersonen unter den Menschen,
die sagen: Wir begegnen Güte mit Güte und Bosheit mit Bosheit. Das
Gegenteil solltet ihr tun. Güte mit noch mehr Güte begegnen und Bosheit
mit Güte."
Weiter sagte er:
„Vermeidet Unterstellungen. Bemüht euch nicht
Fehler der anderen zu sehen oder zu hören. Forscht nicht das
Privatleben der anderen aus. Um weltliche Dinge und Vorteile
wetteifert nicht in Gier. Klatscht nicht übereinander. Hasset
einander nicht. Dreht euch nicht den Rücken zu. Oh Menschen
Gottes, werdet Brüder/Geschwister!"
Das sind die Ansätze um Feindseligkeiten und
Spannungen abzubauen.
Die Quintessenz und Konsequenz ist eindeutig. Der
Auftrag lautet: Zusammenhalt über religiöse und nationale Grenzen hinweg
um Unfrieden abzuwehren und um Frieden zu stiften.
Gott spricht im Koran:
„Oh ihr Menschen! Wir haben euch als Mann
und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, dass ihr
einander kennen möget. Wahrlich, der Angesehenste von euch ist vor Gott
der, der unter euch der Gerechteste ist." Sure 49, 13
- Mögen die Gesellschaften, Politiker und Machthaber ihr Gewissen
an der Religion schärfen.
- Möge Liebe und solidarisches Einvernehmen sich stärken.
- Verbannen wir die Hoffnungslosigkeit aus unseren Herzen.
- Die Abneigung soll dem Egoismus und den Egoisten gelten.
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