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Der Islam - 
Die Ideologen, ihr Traum und
die Realität vom islamischen Staat
 
Mit Worten gegen Militante -  
der Versuch islamischer Intelektueller, den Fundamentalisten den Wind aus den Segeln zu nehmen

von Christian VOGG

Der Westen ist der Grund allen Übels. Und: Der Islam ist die Lösung.

So einfach sehen Feindbild und Gegenentwurf radikaler Islamisten aus. Der Westen, der eine verdorbene Moral pflege und der Individualisierung huldige, und der Islam, der eine Gemeinschaft umfasse, die nicht trenne zwischen Staat und Religion. Was bedeutet: die religiöse Überzeugung des Einzelnen ist nicht seine Privatsache, religiöse Vorstellungen von Gerechtigkeit durchdringen die Wirtschaft und die Sozialpolitik, Zinsen - offiziell verboten, eine Armensteuer Pflicht. Im Islam zählt die Gemeinschaft mehr als die einzelne Person. Daher auch die ablehnende Haltung gegenüber Menschenrechten und Demokratie, rein westliche Erfindungen, die allein schon deswegen abzulehnen sind. Weiteres Kennzeichen fundamentalistischer Sichtweise: ein bisschen Islam - das gibt es nicht.

Wenn Islam, dann total Islam, eine andere Alternative gibt es nicht. Und das entspricht genau wieder der Tradition, die heute wichtig ist, nämlich der Negation von Geschichte.

Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler an der Uni Bern, meint damit:

dieser Absolutheitsanspruch der Islamisten, dieses Alles oder Nichts, das war nicht immer so in der islamischen Kultur.

Die islamische Welt hat eine Aufklärungstradition gehabt, hat ein Konzept von Menschenrechten gehabt, hat ein Konzept der Gewaltenteilung gehabt.

Doch diese Konzepte sind verloren gegangen. Und daran, sagt Schulze, ist auch der Westen mit schuld. Die Wurzeln hierfür liegen im 19. Jahrhundert, als Europa den Orient entdeckte. Mit allerlei romantisch-verklärten Bildern im Kopf waren die Forscher in die Region zwischen Damaskus und Kairo gekommen - und mussten feststellen: so anders ist dieser Orient gar nicht, Despoten und Dreck - genauso wie in Europa.

Die Standardvorstellung ist die, dass irgendwann die Geschichte der islamischen Welt abgebrochen ist. Und zwar dann, als die Texte nicht mehr den wahren Islam repräsentierten und ab dann ging‘s bergab.

Eine Gesellschaft also, die sich nicht mehr weiterentwickelt hat, diese Sichtweise prägt bis heute das Bild der Europäer vom Orient:

In jeder Veröffentlichung steht ja heute im Grunde drin: die islamische Welt kennt keine Aufklärung, die islamische Welt hat keinen Rationalismus, hat keinen Individualbegriff, die islamische Welt ist anders als Europa. Also all die Werte, die Europa zu einer Einzigartigkeit macht, werden für die islamische Welt prinzipiell negiert.

Diese Sicht der Dinge, argumentiert Schulze weiter, haben die Islamisten einfach übernommen. Nicht zuletzt auch dank des großen Einflusses europäischer Bildung, übersehen sie einfach einen gewichtigen Teil ihrer eigenen Geschichte. Genau an diesem Punkt nun setzen seit geraumer Zeit muslimische Intelektuelle an. Etwa Abdallah an-Nafisi aus Kuwait. Er macht sich lustig über das sog. „islamische Erwachen", einen Lieblingsbegriff der Fundamentalisten, an-Nafisi setzt sich ein für eine selbstkritische Revision der eigenen Geschichte und er kommt, wie andere auch, zu erstaunlichen Ergebnissen, wie Gudrun Krämer erklärt, Islamwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin:

Sie denken an einen Staat, der was seine politische Gestalt angeht, wesentliche Elemente einer modernen politischen Ordnung übernommen hat. Das heißt, der baut auf auf dem Wahlprinzip, er hat Gewaltenteilung, an der Spitze des Staates steht ein gewähltes Staatsoberhaupt, das Kalif oder Imam genannt wird, aber de facto eine Position hat, die ganz nahe kommt der Position des Präsidenten im amerikanischen System, oder im französischen auch.

Aber eben entwickelt aus der ureigenen Geschichte der islamischen Kultur. Das ist der große Unterschied. Damit fällt das Feindbild „Westen" weg und das ideologische Konzept der Islamisten müsste zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Müsste, denn leider haben die Regierungen in der Region diese Chance noch nicht begriffen. Sie begegnen den Fundamentalisten lieber mit nackter Gewalt. Sie tun viel zu wenig, um die sozial und wirtschaftlich oft desolate Situation in ihren Ländern zu verbessern - mit ein Nährboden für Radikale - und sie stehen diesen im wahrsten Sinne des Wortes aufgeklärten Intelektuellen skeptisch bis ablehnend gegenüber:

Helfen können auch außermoslemische, nicht-nahöstliche Kräfte, indem sie den Austausch mit diesen Intelektuellen suchen und dadurch auch den eigenen Regierungen klarmachen, dass es sich hier nicht um völlig hilflose Rufer in der Wüste handelt, und dass es ein Risiko mit sich bringt, wenn man die einfach unterdrückt.

WDR Köln, 04. 09. 1998

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Noch ein Wort zu
»Islam muss
noch durch
das Feuer
der
Aufklärung«
 
Ja, durchs Feuer
gehen sie. 
Ein Blick auf die
islamischen 
Völker
und Länder genügt. 
Ihre desolate 
Lage ist
offenkundig.
Aufklärung tut
Not. 
Unwissenheit
ist ihr größter
Feind gefolgt von
ihren Gevattern:
Armut,
Unterentwicklung,
Uneinigkeit,
Gewalt, 
Chaos ...
 
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Hand
in
Hand
für
eine
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demokratische
menschliche
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friedlichere
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Welt