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»Europa nicht nur für
Christen«

CDU und CSU rücken von der Türkeipolitik Helmut Kohls ab

Die europäischen Regierungschefs haben in Helsinki Ende letzten Jahres die Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufgenommen. Mehrheitlich und einhellig ist diese Entscheidung von Seiten der Türkei und den Menschen in und aus der Türkei begrüßt worden.

Bemerkenswert ist, dass im Vorfeld des Helsinki-Gipfels sich die CDU/CSU von einer der umstrittensten außenpolitischen Festlegungen des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl entfernt hatte. Sie machte diesen Bruch während einer Bundestagsdebatte zur Europapolitik deutlich. In einem Antrag der Unions-Fraktion zur Europapolitik der Bundesregierung distanzieren sich der Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber von der Aussage Kohls, dass die Türkei kein Mitglied der EU werden könne, weil das Land nicht dem christlichen Menschenbild der Union entspreche.

Der Kurswechsel in der Union wurde gemeinsam von den mit Europapolitik beauftragten Abgeordneten Peter Hintze und Horst Seehofer erarbeitet. Er wurde präsentiert im Zusammenhang mit einer Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum EU-Gipfel in Helsinki.

Kohl hatte im März 1997 gemeinsam mit sechs christdemokratischen Regierungschefs festgestellt, dass die Türkei nicht in die EU aufgenommen werden könne, weil das muslimische Land keinen Platz in der europäischen Zivilisation habe. Die Aussage löste einen Entrüstungssturm in der Türkei aus und führte zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen. Deutschland geriet auch durch die USA unter massiven Druck, weil Washington den türkischen Beitrittswunsch aus strategischem Interesse unterstützt.

Die neu formulierte Türkeipolitik der Union verzichtet auf die umstrittene Äußerung völlig. Fragen der religiösen Orientierung werden nicht gestellt. Allerdings lehnte die Union die Aufnahme der Türkei in die Riege der Beitrittskandidaten auch weiterhin ab. Diesmal wurden als Gründe genannt, dass die Türkei die Kriterien eines Kandidaten nicht erfülle. Dafür seien eine demokratische Verfassung und Reformen beim Militär notwendig. Verbessern müssten sich die Menschenrechtssituation und die Behandlung der Kurden. Die Union warnte außerdem, dass ein Kandidatenstatus Illusionen schaffe, die zu neuen Enttäuschungen führen könnten. Allerdings wurde eine Aufnahme nicht mehr kategorisch ausgeschlossen, wie noch unter Helmut Kohl.

Quelle: Stefan Kornelius,
Süddeutsche Zeitung; 3. 12. 1999

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